Dienstag, 3. August 2010

„Ich hatte panische Angst vorm Fliegen“ – Aus dem Leben einer Flugbegleiterin

Noch 12 Stunden bis ich mit dem Flieger Richtung Dresden abhebe. Das ganze Wochenende wird sich um Piloten, Flugzeuge und Action drehen. Um euch und mich seelisch und moralisch auf das Red Bull Air Race einzustimmen, wird es Zeit, sich in die Luft zu begeben und ein paar Fragen zu stellen. Und wer könnte mehr über das turbulente Leben am Himmel wissen als eine Flugbegleiterin ...

Shoppen in den Weltmetropolen, feiern mit Superstars und Fire Drills für den Notfall; das Leben am Himmel ist alles andere als langweilig, wie mir Flugbegleiterin Cat* berichtete. Cat verriet mir die Insider der Cabin Crew und jettet derzeit für die Fluggesellschaft des Emirats Abu Dhabi, Etihad, um die Welt; zuvor flog sie in den Maschinen von Air China.



"Ladies and gentlemen, the Captain
has turned on the fasten seat belt sign.
We are now crossing a zone of turbulence.
Please return your seats and keep your
seat belts fastened. Thank you."


*Der Name wurde geändert.

Bildquelle: williamcho


Das Interview

Albert: Du bist ständig unterwegs und dein Arbeitsplatz befindet sich in zehn Kilometern Höhe, wie sieht für dich „Alltag“ aus?


Cat: Ein ganz normaler Monat sieht für mich in etwa so aus: Am 25. jeden Monats bekomme ich meinen Flugplan für den Folgenden. Lass mich als Beispiel Juli nehmen...
Mein Monat hat mit drei Flügen innerhalb von 7 Tagen angefangen, Frankfurt, London und Brüssel.



„Also schläft man wann
und wo immer man kann,
zum Beispiel im Bus, Jumpseat
oder im Cockpit.“


Nach meinen ersten drei Flügen hatte ich Zwei Tage frei, und dann einen 15 Stunden Flug nach Melbourne mit einem 24 Stunden Layover! Klasse Sache, da wir abends dort ankommen und das Kasino direkt auf der anderen Straßenseite ist. Ein 15h Flug heißt zum Glück nicht 15 Stunden auf den Beinen, wir bekommen in zwei Schichten eine drei bis vier Stunden Pause, in der wir uns dann in den unteren Teil der Maschine zurückziehen können zum Schlafen...

Naja, wenn du schon mal versucht hast im Flugzeug zu schlafen, weißt du sicher selbst dass das nicht wirklich klappt. Also schläft man wann und wo immer man kann, zum Beispiel im Bus Jumpseat oder im Cockpit.

Nach Melbourne ging es nach zwei weiteren freien Tagen nach Jakarta. Ein klasse Layover wenn man die richtige Crew hat und eine super Gelegenheit um neue DVDs zu shoppen. Ok, nicht ganz legal, wenn der Film erst eine Woche vorher in den Kinos kam, aber hey... Auch wir brauchen Beschäftigung...



„…sechzig Prozent der Flugbegleiter
haben keine Ahnung,
wie man eine Flugzeug¬-
toiletten Tür aushängt...“


Noch in der Nacht nach meinem Jakarta Flug ging es dann auf einen so genannten Turnaround nach PAKISTAN! Islamabad stand auf dem Plan! Ich muss ja nicht erklären, warum Flüge nach Pakistan, Bangladesch, Indien und Nepal nicht wirklich beliebt sind. Falls doch hier einige Beispiele, wie man uns zum ausrasten bringen kann: sechzig Prozent der Flugbegleiter haben keine Ahnung, wie man eine Flugzeugtoiletten Tür aushängt. Auf einem Flug nach Bangladesch dauert es keine 10 Minuten, bevor der erste Passagier es geschafft hat, weil das Schild auf dem PUSH steht nicht groß genug ist und die Anweisung ja auch so undeutlich ist!

So nach Islamabad, war dann zum Glück wieder Frankfurt dran und nach zwei freien Tagen ging es dann wieder ab in die Academy für das alljährliche Recurrent Training, um unsere Lizenz zu behalten. Wir müssen in diesen drei Tagen unsere Prüfungen in First Aid, General Safety, Flugzeugtypen und Flugzeugsystemen in schriftlicher Form ablegen und dann natürlich noch einen praktischen Teil mit Evacuation, Fire Drill und Ditching ablegen...

Direkt nach meinem Training hatte ich gleich noch zwei Turnaround-Flüge nach Astana (Kasachstan[Anm d. Red.]) und Amman (Jordanien [Anm. d. Red])...

Im Grunde genommen Fliegen wir sieben Tage haben dazwischen immer etwa ein bis drei Tage frei und kaum Schlaf.

Albert: Gibt es noch andere Kuriositäten, die dir auf deinen Flügen begegnet sind?


Cat: Auf Flügen nach Katmandu –ich weiß nicht wie unsere Passagiere die Dinger finden– sieht man regelmäßig Passagiere, die Tampons in den Ohren stecken haben, weil sie denken, es seien Ohrstöpsel.




“Excuseee me sister,
my wive is a tsicken,
I‘m a Veg.”


Auf Flügen nach Indien könnte das Catering nur Whisky, Chicken und Mangosaft laden, weil sowieso jeder nur danach fragt.

London oder auch Bombay Heathrow genannt, Toronto, New York und Chicargo sind dann die Flüge, auf denen man -besonders von Indern und Pakistanis- gefragt wird: „Wherrr is de doilett for de brettisssh bassboard beoble?“
Die Antwort von mir ist dann regelmäßig: „Sir at the moment these lavatories have exclusively been assigned to our French passengers, but as soon as we race the British flag, you may go.”

Andere kommen mit: “Excuseee me sister, my wive is a tsicken, I‘m a Veg.” Meine Antwort: „Yes Sir, I know...“. Und alle wirklich Britischen Passagiere brachen in Gelächter aus...

Also du siehst, auch wir finden immer Wege noch etwas Spaß an Board zu haben! ;)

Albert: Auf welchen Flughäfen kommst du am liebsten an und warum?

Cat: Meine Lieblingsziele sind Dublin, ich liebe das Temple Bar Viertel und die Einkaufsmeile; Sydney, weil es im Januar oder Februar nichts Schöneres gibt, als den Tag am Bondi Beach zu verbringen und den ganzen gut aussehenden Surfern zu zusehen oder selbst surfen zu lernen und dann Abends schön zum Korean BBQ und feiern in einem der Clubs in Darling Harbour.
Wenn wir schon bei Australien sind bleiben wir auch dort. Brisbane und die Gold Coast, auch bekannt als Surfer's Paradise, muss man unbedingt gesehen haben!

Albert: Welche Metropolen haben dich noch in ihren Bann gezogen?

Cat: Beijing, weil ich die Stadt gut kenne und liebe. Das Essen dort ist klasse, das kulturelle Angebot riesig, die Leute freundlich und Einkaufen erst…



„…ich habe dort mit
einer Freundin zusammen
im VIP Bereich mit den
Black Eyed Peas gefeiert…“


Singapore ist eines meiner Lieblingsziele wegen Santosa Island, und der Stadt... Nicht zu vergessen, ich habe dort mit einer Freundin zusammen im VIP Bereich mit den Black Eyed Peas gefeiert, was natürlich für Neid unter den Kollegen gesorgt hat...
Kuala Lumpur, Jakarta, Brüssel, Mailand und Genf sind auch nicht zu verachten, aber nicht meine Lieblinge...



Albert: Stimmt es, das Piloten viel trinken und hinter jedem Rock her sind?

Cat: Du hast vermutlich wie viele andere auch die Vorstellung, dass Flightdeck Crew immer voll ist und alles poppt was auf dem Flug ist. Ehrlich, die gibt es, aber viele unserer Piloten sind einfach nur sehr nette Männer, die verheiratet sind und ihre Familien in Abu Dhabi haben und die auf einem Layover einfach nur abschalten wollen und fragen ob jemand mit kommt zum Abendessen, für Drinks und wenn man eine gute Crew hat, in einen Club oder eine Bar.

Klar, es gibt auch die Singels unter den Piloten, die es versuchen, aber meist nur aus dem Grund weil sich die Leute in Abu Dhabi notorisch alleine fühlen. Naja, man muss sie halt lassen...

Oft haben wir viel Spaß in einer kleinen Gruppe, es kam aber auch schon vor, dass ich alleine mit den Piloten essen war, weil alle andern zu müde waren oder Pläne hatten oder man ist auch mal alleine auf einem Layover. Das muss ich mit den Nationalitäten erklären die bei uns Arbeiten.

Etihad beschäftigt Cabin Crew aus 112 Nationalitäten. Darunter sind viele Asiaten, die ihre Familien unterstützen und das Geld lieber sparen und sich den layover über nur in ihren Zimmern aufhalten mit Cup Noodles oder Reis....

Und an dieser Stelle möchte ich dann auch noch mit einem Vorurteil aufräumen! 'Die dummen Flugbegleiter, die ja nichts anderes gelernt haben und können...'



"Wir sind die ersten,
die mit Situationen umgehen müssen
und die letzten, die nach Hause gehen!"




Dazu sage ich nur, dass wir alle mehrere Sprachen sprechen(ich beispielsweise fünf), wir haben Abitur oder ein abgeschlossenes Studium hinter uns und wir legen ein umfassendes und anstrengendes Training ab.

Bei dem Training lernen wir, Leben zu retten, nicht nur mit Erster Hilfe, sondern auch wenn mal was schief geht und du im schlimmsten Fall über 200 Menschen in der Maschine hast, die alle lebend raus sollen.

Klar, wir fragen mal freundlich, mal nicht so freundlich was der Gast essen oder trinken möchte, aber im Endeffekt sind wir Übersetzer, Psychologen, Kindergärtner, Schlichter und Krankenschwestern in einem, die immer eine perfekte Fassade aufrecht erhalten müssen, auch wenn gar nichts läuft...

Wir sind die ersten die mit Situationen umgehen müssen und die letzten, die nach Hause gehen! :-)


Albert: Wie ist es dann mit Beziehungen, bleibt dir dafür noch Zeit?

Cat: Da man als Flugbegleiter kaum Privatleben hat und mehr im Flugzeug ist als in seiner Wohnung, laufen auch die Beziehungen etwas anders. Wenn man Glück hat ist man mit seinem Partner auf einem Flug und kann einen schönen Layover verbringen, oder man trifft sich während einem Layover, so wie ich meinen Freund neulich in Brüssel. Die restliche Zeit mit dem Partner hängt dann davon ab, ob man die gleichen Off Days hat.

Albert: Ich habe bei deinen Posts auf Facebook schon öfter nicht verstanden, was du da schreibst – habt ihr Flugbegleiterinnen eine besondere Sprache?

Cat: Wissenswert über die Gattung der Flugbegleiter ist, wir unterhalten uns in Three Letter Codes wenn es um unsere Flugziele geht oder einfach alles was mit Fliegen zu tun hat und haben die Angewohnheit, das auch mit Leuten zu tun, die eigentlich gar nicht in der Fliegerei sind.

„I've been to CGK last week and I nearly lost it because my CM and CS kept annoying me with my OBA...“ Übersetzung: „Ich war letzte Woche in Jakarta und mein Cabin Manager und mein Cabin Senior haben mich mit meinem On Board Assessment wahnsinnig gemacht...“ :-p

Albert: Hattest du schon mal Flugangst?

Cat: Flugangst... Das ist für mich ein großes Thema! Ich hatte panische Angst vorm Fliegen, also habe ich beschlossen Cabin Crew zu werden. Ich wäre vor fünf Jahren fast nicht nach Peking zum Training für Air China geflogen, weil ich schon eine Angst Attacke hatte, wenn ich nur ein Flugzeug gesehen habe!

Aber gut ich hab die Zähne zusammen gebissen und bin unter riesen Angst hingeflogen, meine ersten fünf oder sechs Flüge waren der Horror, aber hey, ich bin seit fünf Jahren dabei und will noch lange nicht aufhören.

Fliegen macht süchtig und auch wenn ich oft über meinen Job fluche, einen Sonnenaufgang im Cockpit und es ist vergessen. Das Leben als Flugbegleiter ist einfach klasse und ich kann mir kaum vorstellen länger als eine Woche am Boden zu bleiben. Wenn es dich interessiert was mir schon alles im Einzelnen im Flugzeug passiert ist, lass es mich wissen und ich erzähle es dir gerne...

Albert: Vielen Dank für das spannende, witzige und lehrreiche Interview. Ich wünsche dir einen guten Flug!

Cat: Viel Spass and have a safe flight always,
Inflight slave,
Cat

Ende

In meinen Berichten, Bildern und Videos schaue ich hinter die Kulissen des Red Bull Air Races in Deutschland. Verfolgt die Ereignisse und Berichte vom Eurospeedway Lausitz auf StudiVZ, Facebook oder über die Red Bull Air Race Seite. Smoke On!

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