Samstag, 17. Januar 2009

Vom allein Reisen

Die Überfahrt mit der Fähre heute morgen, brachte mich auf eine hübsche, überschaubare Insel - Langkawi. Kaum angekommen im Gecko Gästehaus, saß ich auch schon am Pokertisch und zockte mit Grandpa und Boris um Kekse und Zigaretten. Grandpa müsste in seinen Siebzigern sein und seine Ohren spielten ihm einen Streich, als ich eincheckte verstand er, ich sei Däne. Nachdem ich den Fehler korrigiert und meinen Rucksack im Bungalow abgelegt hatte, begann die Partie.

Ich verlor eine Runde nach der anderen, aber jemand der ankommt und gleich gewinnt, ist ja auch nicht besonders sympathisch. Nach drei Mal Geben wollte ich dann doch sehen, wo ich hier überhaupt war und beschloss zum Strand zu gehen. Ich entschuldigte mich bei den beiden und lief los - natürlich in die falsche Richtung. Unter den Kokosnusspalmen lief eine Dame mit einem Mann und so fragte ich sie nach dem Weg. Sie zeigte in die umgekehrte Richtung und erst als ich mich zum Weitergehen umdrehte, sah ich, dass der Mann an ihrem Arm ihr Sohn sein musste, er war blind. Auf dem weiteren Weg schloss ich ab und an die Augen, um mir vorzustellen wie es sein musste - es gelang mir nicht.

Nun, drei Tage später sitze ich an einem kleinen Holztisch, immer noch im Geckos. Grandpa ist gerade spazieren gegangen und vermutlich trifft er ein paar Bekannte und wird das ein oder andere Bierchen zischen. Heute Mittag saß ich mit Grandpa auch hier und unterhielt mich mit ihm über die alten schwedischen Könige, die in Stralsund Handel trieben und im Osten gegen die Russen kämpften. Das heißt, er erzählte und ich hörte zu. Grandpa war ein Geschichtsprofessor in Schweden und auch einmal Schulleiter, jetzt reist er seit Jahren in Asien herum und genießt seine Rente.

Eben kamen Kim und Daniel zurück, die beiden waren heute mit einem geliehenen Auto auf der Insel unterwegs und ich konnte nicht dabei sein, weil mein Kater heute Morgen keine Autofahrt zuließ. Deshalb lag ich mit Jeremy, Becky und Amanda am Strand, die hatten heute auch ihren faulen Tag. Außerdem besuchte mich Christian, den ich auf Penang traf und der jetzt zwei Hütten weiter wohnt.

Und so kann ich wirklich nicht behaupten, an Vereinsamung zu sterben, ich reise allein und bin doch immer in Gesellschaft. Wenn ich einen Blick auf die letzten 24-Stunden werfe, gab es die unterschiedlichsten Leute, die ich traf. Menschen die sonst Unternehmen leiten, die in Indien Buddhismus studierten und auch beim Dalai Lama gelernten haben, welche die ihr altes Leben als Manager aufgegeben haben und jetzt Romane schreiben, einen Arzt, der London verlassen hat um sich ein Jahr zu erholen, indem er Tauchexpeditionen begleitet und eine Reiseleiterin, die sich von der letzten Überlandtour erholt. Sie begleitet Reisen von Großbritannien über Land nach Australien – eine Reise durch neunzig Länder. Jeden Namen konnte ich mir merken und jede Geschichte sauge ich auf wie ein Schwamm. Geschichten von wilden Tigern in Nepal und Elefanten Trekking, Kopfjägern in Borneo, von Einsiedelei, von Tauchunglücken mit Toten und von einsamen Inseln mit traumhaften Stränden.

Meine Reise ist ungeplant und ich lasse mich treiben. Ich wäre nicht auf Langkawi, wenn mir in Kuala Lumpur nicht das Fallschirmspringer-Pärchen Sandra und Peter begegnet wären, die mir von der Insel erzählten. Und ich hätte auch kein Visum für Thailand, wenn sie mich nicht gewarnt hätten, dass es nur 15-Tage-Visa auf dem Überlandweg geben würde. Dass ich sie traf und sie mir die Tipps gaben war glücklicher Zufall, ein Phänomen, dass immer dann am stärksten ist, je aussichtsloser eine Situation zu sein scheint. Die interessantesten Dinge geschahen immer dann, wenn ich am wenigsten damit rechnete. Ich glaube, dass es ein Segen ist, völlig frei von Erwartungen und planlos zu reisen. Dann ist die Chance am größten, dass gute Sachen passieren.

Zugegeben, es gab Tage auf anderen Reisen, an denen ich in dunklen Hotelzimmern saß und den Kakerlaken beim Futtern zuhörte. Bei prasselnden Regen lag ich einmal eine Woche in meinem Zelt, hungrig nach einem Gespräch, ohne einem Buch, das ich noch nicht gelesen hätte. Solche Tage gibt es, sie sind die Ausnahme und irgendwie mag ich sie auch. Ich kann einem Gedanken nachhängen, meine schwankende Stimmung beobachten oder überlegen, was ich als nächstes tue. Aber es stimmt schon, -Menschen- machen eine Reise interessanter, sie sind die "Würze in der Suppe" und ich möchte nicht darauf verzichten sie zu treffen.

Reisen mit Freunden haben auch ihren Reiz, aber man passt sich doch mehr an die Bedürfnisse des anderen an oder neigt dazu, sich zu streiten, wenn man sich zu lange auf der Pelle hockt. Jemand den du auf der Reise triffst, wirst du distanzierter behandeln und zudem hast du keine Verantwortung für das Glück seiner weiteren Reise. Das macht es leicht und unbeschwert. Manchmal ist man ein paar Tage am selben Ort, manchmal reist man zusammen an andere Plätze und manchmal trifft man sich Jahre später wieder. Es gibt nicht viele Menschen mit denen ich es mir vorstellen könnte gemeinsam zu reisen, mit manchen würde ich es mir wünschen.

Es soll auch Leute geben, die auf dem Selbstfindungstrip sind und ihre Reise als Art der Meditation auf sich nehmen, zu ihnen gehöre ich nicht. Die sind dann meist Jahre unterwegs und reisen von einem Kontinent zum Anderen. Es ist sicher schwierig aus solch einem Leben wieder raus zu kommen, denn sie haben viel erlebt und gesehen, dass soweit vom Alltag entfernt ist, wie die Sonne von der Erde. Die Schwierigkeit für sie besteht darin, auch das Alltägliche noch wichtig zu nehmen. Teilweise sind es auch wirklich Freaks, ich muss an den Energy-Shower-Man denken, den ich im Baskenland traf. Hängengeblieben auf seinem Esoteriktrip erzählte er nur von irgendwelchen Energien, die ihn leiten und als er uns bat die Musik auszumachen, weil die ein schlechtes Karma für sein Essen sei, war es bei mir vorbei. Die anderen dachten genauso und wir mieden den Kerl. Aber solche Klopper sind Gott-sei-Dank die Ausnahme.

Es ist nicht mein Ding über Jahre zu reisen, aber es ist ein respektabler Weg. Was ich interessant finde ist, dass es möglich ist, alles hinter sich zu lassen und einfach zu gehen. Hier gibt es ein Pärchen, das hat einige Monate zuhause in England gespart und reist nun für drei Jahre, sie arbeiten in Freiwilligen-Projekten in Borneo. So werden sie keine Millionäre, aber doch sicher reicher.

Möchte ich immer alleine Reisen? Nein, sicher nicht. Ich glaube nicht, dass es mir gefallen würde, wie Grandpa hier zu sitzen und nur die Jungspunde um mich rum zu haben. Irgendwann möchte ich mich in einem schönen Hotel für zwei Wochen ausruhen, ein paar Runden Golf spielen und abends mit Schatzi beim Dinner sitzen. Vielleicht kann ich dann auch nach Florenz fahren, die Gören durch die Uffizien schleppen und zu den Bildern noch eine Geschichte erzählen. Vielleicht kenne ich dann schönere Inseln, als die der Pauschalurlauber und kann meine Angebetete an einsame Strände entführen. Sicher macht mich das Reisen allein nicht dümmer und wenn ich ehrlich bin, hat es mich nie eine Überwindung gekostet. Es ist keine Entbehrung und, dass es nicht jedermanns Sache ist, mag sein. Wer aber die Möglichkeit hat, kann sie nutzen.

Die Reisen strengen mich jetzt nicht an, das heiße Klima ist angenehm, ich bin offen für andere Kulturen, meine Jugend erlaubt es mir schnell Anschluss zu Gleichaltrigen zu finden und mich anzupassen – im Alter wäre es sicher schwerer. Andere Sichtweisen und möglicherweise eine geringere Akzeptanz gegenüber diesem Weg, machen mir später vielleicht mehr Angst als heute. Mit dem Reisen ist es wie mit dem Leben, man muss hoffen, dass alles zu seiner Zeit erfolgt.

1 Kommentar:

Jessica hat gesagt…

Gelungener Text! Beim aleine Reisen ist man auch automatisch viel offener, Neues auszuprobieren, was die Reise meistens abenteuerlicher gestaltet :)